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Rahel Gall Azmat in Der Bund über die Schliesssung des Kocherparks

Die Geschäftsleiterin von CONTACT, Stiftung für Suchhilfe, in einem Interview vom 1.4.2017

Interview: „In der Drogenszene sind erneut Fehlentwicklungen möglich“

Von Basil Weingartner, Der Bund, 1.4.2017

Was hat sich seit der Schliessung des Kocherparks verändert?

Sehr vieles, sagt Rahel Gall Azmat […]

Frau Gall Azmat, vor 25 Jahren wurde der Kocherpark geräumt. Was hat sich seither für die ­Drogensüchtigen geändert?

Ein gutes Netz mit vielen unterschiedlichen Suchthilfeangeboten wurde aufgebaut. Davon können zum einen die Süchtigen profitieren, zum anderen profitiert aber auch die Öffentlichkeit.

Wie genau wird den Süchtigen geholfen?

Die Schweizer Drogenpolitik basiert auf dem Viersäulenmodell Repression, Therapie, Schadensminderung und Prävention. Dadurch gibt es die Möglichkeit, auf die unterschiedlichen Lebenssituationen und Bedürfnisse der abhängigen Personen einzugehen. Wir von Contact arbeiten in der Schadensminderung. Das heisst, wir arbeiten mit jenen Menschen, denen es trotz vieler Versuche nicht gelingt, von der Abhängigkeit wegzukommen. Wir ermöglichen ihnen, ein einigermassen menschenwürdiges Leben leben zu können.

Die Drogenszene ist in Bern nicht mehr sichtbar. Kritiker sagen, dies gehe zulasten der Süchtigen. Etwa wenn diese weggewiesen werden. Was sagen Sie dazu?

Zur Frage, wie viele randständige Menschen es im öffentlichen Raum verträgt, gehen die Meinungen auseinander.

Was finden Sie?

Randständige haben wie alle anderen das Recht, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten. Es gibt aber Situationen, die als störend empfunden werden. Etwa wenn die Gruppen zu laut sind oder Spritzen herumliegen. Ziel ist, ein gutes Gleichgewicht zu finden.

Derzeit wird moniert, die Drogenszene rund um die Anlaufstelle an der Hodlerstrasse verschärfe die Konflikte im Bereich der Schützenmatte. Deshalb will die Stadt Bern einen Standort für eine zweite Anlaufstelle suchen. Unterstützen Sie dies?

Wir sind bereit, eine zweite Anlaufstelle zu betreiben. Der Standort muss aber den Anforderungen genügen.

Wie sehen diese aus?

Eine Anlaufstelle ist in keinem Quartier willkommen. Die Akzeptanz der Anwohner ist aber eine Voraussetzung, auch muss die Lage zentral sein, sonst kommen die Süchtigen nicht.

Gibt es überhaupt Standorte, die all dies erfüllen?

Ich weiss derzeit keinen. Aber das heisst nicht, dass es keinen gibt. Aber ich zweifle daran, ob die Schaffung eines zweiten Standorts tatsächlich umsetzbar ist.

Das Viersäulenmodell wurde Anfang der 90er-Jahre vor dem Hintergrund der offenen Drogenszene ­geschaffen. Ist die Suchtpolitik inzwischen veraltet?

Nein, denn sie hat sich stetig weiterentwickelt. Anfang der 90er-Jahre verstand man unter Schadensminderung vor allem Überlebenshilfe – etwa durch Spritzenabgabe und saubere Konsumräume. Heute ist man viel weiter. Die Angebote können die negativen Folgen und Risiken des Konsums reduzieren. Auch die damals konfliktbeladene Zusammenarbeit mit der Polizei funktioniert heute gut.

Welche Verbesserungen sind möglich?

Man muss Sorge tragen zum aktuellen Angebot. Sonst sind erneute Fehlentwicklungen der Drogenszene möglich. Auch gilt es, die Trends bei den Drogen und den Konsumformen nicht zu ­verpassen.

In den USA ist Heroin wieder im Trend. Rechnen Sie auch in der Schweiz mit einem Revival?

Bisher gibt es keine Anzeichen dafür. Aber das kann sich ändern. Derzeit sind in Bern Drogen wie Kokain und Ecstasy beliebt. Diese wirken aufputschend und animierend und passen daher besser zum derzeitigen Trend und Image einer Leistungsgesellschaft. Aber wie das bei der nächsten Generation sein wird, weiss man nicht.

Was halten Sie von einer Entkriminalisierung von Drogen?

Ich halte viel davon – ebenso von einer Regulierung. Dadurch könnte man vielen der aktuellen Probleme entgegenwirken. Ich halte aber wenig von einer unkontrollierten Legalisierung.

Diese Interview ist als Teil der nachfolgenden Reportage erschienen.

 

 

Heroin, Nadeln und Pistolen: Menschliche Abgründe im Stadtpark

Eine Reportage von Basil Weingartner, Der Bund, 1.4.2017

„Hunderte Süchtige und Drogenhändler, Zehntausende blutige Spritzen, Schiessereien. Der Berner Koncherpark war Heimat der zweitgrössten Drogenszene Europas und Schauplatz einer menschlichen Tragödie. Vor genau 25 Jahren wurde der Park geräumt.“

Lesen Sie die vollständige Reportage:

Der Bund 1.4.2017: Heroin, Nadeln und Pistolen – Menschliche Abgründe im Stadtpark

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